Das Sammeln und Bewahren von Erinnerungen war für Walter Kempowski ein zentrales Motiv seiner Arbeit. Sein imposantes Lebenswerk ruht auf Erzählungen, Gedächtnisbildern und flüchtigen Andenken von vielen. Walter Kempowski fügte diese scheinbar privaten Schilderungen zu eigenständigen literarischen Gebilden. So wurden für sein Werk »Echolot« Aufzeichnungen wie Briefe oder Tagebücher künstlerisch erschlossen, für die »Deutsche Chronik« mit ihren Familienromanen bediente sich der Autor der vermeintlich schlichten, aber effizienten Methode der Befragung, um die so gewonnenen privaten Erinnerungen in einem nächsten Schritt zu Romanen zu fügen und damit im wahrsten Sinne des Wortes zu »verdichten«.
Walter Kempowski befragte zuerst die eigene Familie sowie Freunde und Bekannte. Doch schon bald weitete er seine Befragungen aus und fügte der subjektiven Perspektive die der Allgemeinheit hinzu. So fragte er bald auch Menschen, denen er zufällig begegnete – zum Beispiel nach einem Gedicht, das im Gedächtnis geblieben war, nach Reiseerlebnissen, nach der ersten Liebe. »Plankton fischen« nannte Walter Kempowski diese Tätigkeit. Auf diese Weise trug er bis 2007 Tausende von »Erinnerungskristallen« zusammen. In seiner Vorstellung sollte dieser Textpool, dieser »Plankton-See«, auch nach seinem Tod immer weiter wachsen. Via Internet sollte jeder die Möglichkeit erhalten, selbst »Plankton zu fischen« und es dem bereits Vorhandenen beizugeben.
Walter Kempowskis visionärer Plan war, dass diese von einer kollektiven Autorenschaft stammenden Erinnerungspartikel sich wie schwebendes Plankton mit Hilfe eines »Zufallsgenerators« immer wieder neu zusammenfügen zu einem großen Panorama aus zeit- und alltagsgeschichtlichen Erfahrungen. Der Knaus Verlag hat Simone Neteler, langjährige Mitarbeiterin von Walter Kempowski, mit der Herausgabe des Plankton-Projekts betraut. Anfang April 2014 erschien die Printausgabe, Sie können sich hier über diese Ausgabe informieren und in das Buch hineinblättern.